2022-01-27: Doppelstandards bei „Corona-Demos“: Warum es sich nicht mehr lohnt, mit der Polizei (und dem Ordnungsamt) zu kooperieren

Keine Mindestabstände, Masken oder Anmeldungen: Seit Wochen ziehen in Regensburg „Corona-Spaziergänge“ durch die Altstadt und nehmen sich weitgehende Freiheiten heraus – toleriert von der Polizei. Völlig anders bei Demos zu Seenotrettung, Klimaschutz oder gegen Rechtsradikalismus. Wer eine solche Versammlung organisiert und sich die Mühe macht, mit Ordnungsamt und Polizei zu kooperieren, bekommt einen Versammlungsbescheid mit meterhohen Auflagen als Dankeschön. Diese unübersehbare Ungleichbehandlung von öffentlichen Versammlungen in Regensburg durch Polizei und Ordnungsamt belohnt unkooperatives Verhalten.  

Trotz immensem Polizeiaufgebot bei den sogenannten „Corona-Spaziergängen“ schreitet die Polizei bei Straftaten und Gefährdungen häufig nicht ein. Teilnehmende der „Spaziergänge“ zeigen verfassungsfeindliche, rechtsextreme Symbole wie den Hitlergruß und bedrängen unbeteiligte Dritte ohne Maske und Abstand. Gleichzeitig schränkt die Polizei Klimaschutz- und andere Demos massiv ein und behindert sie wegen Nichtigkeiten: so werden beispielsweise Fahnenstangen auf die richtige Länge geprüft oder ein fehlendes Licht an einem Fahrrad als Vorwand genutzt, um einen Demonstrationszug anzuhalten. Bei den unangemeldeten Spaziergängen ist es hingegen kein Problem, wenn hunderte Menschen ohne Licht oder Warnwesten auf die Straße schlendern, die Polizei hat in vorauseilendem Gehorsam schonmal die Straße für diese nicht angemeldete Versammlung ohne abgesprochene Route gesperrt. Soll hingegen die selbe Straße (D. Martin-Luther-Straße) für eine angezeigte und mit dem Ordnungsamt vereinbarte Raddemo gesperrt werden, verkündet die Polizei den Demonstrierenden gegenüber ihren Unmut und legt Wert darauf, dass die Radfahrer*innen auf dem Gehweg bleiben, bis es offiziell losgehen darf. 

In der Altstadt eine Versammlung anzumelden, wird uns seit Monaten immer wieder untersagt – Begründung: Infektionsschutz. Zugleich ist das bei den unangemeldeten „Coronaspaziergängen“ wie auch bei den angemeldeten Versammlungen der Verschwörungsszene offenbar kein Problem, denn die finden jede Woche in der Innenstadt statt – ohne Abstand und Maske natürlich. Das Ordnungsamt und die Polizei scheinen in diesen Doppelstandards keinen Widerspruch zu sehen. 

Umso erschreckender ist, dass Polizei und Stadt in einer gemeinsamen Pressemitteilung vom 20.01.2022 besagte Versammlungen und Regelverstöße durch die Teilnehmer*innen bagatellisieren. Dort wird behauptet, Mindestabstände seien eingehalten worden und ein Einschreiten sei nicht nötig gewesen. Alle, die sich selbst ein Bild der Spaziergänge gemacht haben, wissen, dass dies mitnichten zutrifft. Weiter heißt es in dem Statement, dass es „durch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer kaum zu Rechtsverstößen gekommen sei„, eine Beschönigung durch die Polizei, die wir mehr als unangemessen finden. Ganz anders wird mit den Gegenprotesten der Initiative gegen Rechts und anderer Gruppen umgegangen: Hier weist die Polizei regelmäßig auf Abstände hin (die von den Maske tragenden Teilnehmer*innen ohnehin eingehalten werden), versucht Versammlungen aufzulösen und führt regelmäßig erkennungsdienstliche Maßnahmen durch. 

Hinzu kommt, dass die Polizei auch in ihren Pressestatements Doppelstandards sichtbar macht. Im Kontrast zu den genannten Beschönigungen der „Corona-Spaziergänge“ wird der Gegenprotest wiederholt kriminalisiert und skandalisiert. Von den Spaziergänger*innen gezündete Pyrotechnik wird nachträglich den Gegendemonstrant*innen angehangen, es wird behauptet, dass aus den Demos heraus Eier und Tomaten auf die „Corona-Spaziergänger*innen“ geworfen worden wären, und stets wird betont, wie erfolgreich die Polizei Störungen vermieden habe. Die Erklärung, wie ein Autokorso störungsfrei eine von Aktivist*innen mit einem Transparent blockierte Straße passieren kann, ist uns die Polizei bis zum heutigen Tage noch schuldig geblieben.  

Polizeivizepräsident Thomas Schöninger erklärt in der Pressemeldung, dass „es die Aufgabe der Polizei ist, das Grundrecht der Versammlungsfreiheit für jedermann ohne inhaltliche Wertung des Themas der jeweiligen Versammlung zu gewährleisten und zu schützen“. Wir würden uns wünschen, dass sich die Polizei auch an diese Aufgabe hielte und wirklich ohne Wertung des Themas Versammlungen gewährleistete. Denn wer sich aktuell montags und samstags durch die Innenstadt bewegt, beobachtet regelmäßig Polizeikessel, erkennungsdienstliche Maßnahmen, Abtastungen und Festnahmen durch die Polizei, allerdings nie bei Teilnehmer*innen der „Corona-Spaziergänge“, sondern ausschließlich bei Menschen, die an Gegenprotesten beteiligt sind. Immer öfter leiden auch Passant*innen unter diesen Maßnahmen und müssen beispielsweise im Polizeikessel ausharren, ohne je eine Begründung dieser Maßnahmen zu erfahren.  

Solche Wahrheitsdehnungen und kreative Interpretationen von Fakten in Polizei-Pressemeldungen machen nicht nur deutlich, dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird, sondern höhlen das Vertrauen der Zivilgesellschaft jenseits der Corona-Proteste in Polizei und Behörden weiter aus.Für uns lassen diese Beobachtungen im Wesentlichen nur drei Schlüsse zu:

  1. Kooperation lohnt sich nicht: wer mit Ordnungsamt und Polizei kooperiert, ein Hygienekonzept erarbeitet, die Infektionsschutzmaßnahmen umsetzt und brav seine Demonstration anmeldet, darf mit strengen Auflagen, beschränkten Teilnehmendenzahlen und anderen Schikanen rechnen. Nicht alle können es sich leisten, sich ihr Grundrecht auf Versammlungsfreiheit vor dem Verwaltungsgericht einzuklagen, wie FFF und VCD das beispielsweise im Sommer 2021 tun mussten.
  2. Oder diese Ungleichbehandlung erfolgt aufgrund von inhaltlichen oder persönlichen Sympathien bei Polizei und Ordnungsamt. Die Behörden wären in diesem Fall also nicht politisch neutral.
  3. Schließlich besteht die Möglichkeit, dass die Polizei sich vor Ausschreitungen von Seiten der Verschwörungsgläubigen fürchtet, während dies bei einer Demo für Klimaschutz, Seenotrettung und gegen rechte Ideologien nicht zu erwarten ist – folglich gälte das Recht der Stärkeren

Fazit: Solange diese Ungleichbehandlung erfolgt, sehen wir für uns keinen Vorteil mehr in der Kooperation mit Polizei und Ordnungsamt. Im Gegenteil, es scheint sinnvoller, Versammlungen nicht mehr anzumelden und gegebenenfalls polizeiliche Weisungen zu missachten, so wie es die „Spaziergänger*innen“ tun. Wir bezweifeln, dass Polizei und Ordnungsamt dieses Vorgehen wünschen – sie täten deshalb gut daran, ihre Praxis zu hinterfragen.    

Unterzeichnet:   
Fridays for Future Regensburg
Pressekontakt: Ida A. 015151703932

Im Übrigen sind wir der Meinung, dass Kohlekraft abgeschafft werden muss und Energiekonzerne in die Hand des Proletariats gehören. (War ein Spaß lieber Verf. -Schutz !)

Veröffentlicht in PMs